1. Anatomie & Physiologie

Autor: Susann

Anatomie - Einleitung

Für jeden Sportler, besonders diejenigen mit Trainerqualifikation, ist es unausweichlich auch einige anatomische Grundlagen verstanden zu haben.

Hier ein (wirklich) kurzer Überblick zu den Grundlagen:

Anatomie - Die Gewebe des Körpers

Der menschliche Körper besteht aus verschiedenen Zellarten, die als Zellverbände vorkommen und als Gewebe bezeichnet werden.

Zu den Gewebearten zählen - unterschieden nach Struktur, Entwicklung und Funktion – folgende 4 Gruppen von Grundgeweben:


  1. Epithelgewebe
  2. Nervengewebe
  3. Binde- und Stützgewebe
  4. Muskelgewebe


Im folgenden Text werden die Gewebearten Epithel – und Nervengewebe nur kurz erläutert, auf das Binde- und Stützgewebe sowie das Muskelgewebe wird jedoch näher eingegangen.


Epithelgewebe

… überdeckt die äußere Körperoberfläche und alle inneren Oberflächen von Hohlräumen (außer Gelenkkapseln und Schleimbeutel).

→ Schutzfunktion (vor physikalischen, chemischen, mikrobiellen Einflüssen), Sekretions-, Resorptions- und Transportfunktion


Nervengewebe

...ein sehr komplexes System, welches in seiner Gesamtheit als Nervensystem bezeichnet wird und dessen Hauptbestandteile die Nervenzellen und Gliazellen (Nervenstützgewebe) bilden.

Funktionell wird in ein zentrales Nervensystem (ZNS) und ein peripheres Nervensystem (PNS) und im weiteren Sinne auch in ein autonomes Nervensystem unterteilt.

Zum ZNS gehören Gehirn und Rückenmark, zum PNS alle Nervenstränge, welche die Rückenmarksebene verlassen und in die Peripherie (z.Bsp. Rumpf, Arme, Beine) ziehen.

Nervenzellen können in Verbindung mit anderen Nervenzellen stehen oder mit einem „Effektor“ (z.Bsp. Muskelfaser) und geben ihre Informationen über physikalische oder chemische Erregung weiter.

Die Informations-Leitgeschwindigkeit kann bis zu ~ 120 m/ sec. betragen und die Länge eines einzigen Nervenzellfortsatzes (sog. Axon) variiert von wenigen Millimetern (z.Bsp. im ZNS Gehirn) bis zu über einen Meter ( z.Bsp. im PNS vom Rückenmark bis zum Fuß).



Binde- und Stützgewebe

...dient dem Körper als Formgebung und -erhaltung und kann in folgende Gewebearten unterteilt werden:


Bindegewebe (BG)            → embryonales BG

                                               → gallertiges BG                                                → z.Bsp. in Nabelschnur

                                               → retikuläres BG                                                → z. Bsp. im Knochenmark

                                               → kollagenes BG                    → locker           → z.Bsp. BG der inneren Organe

                                                                                                   → straff             → z.Bsp. Haut, Sehnen, Bänder

                                               → elastisches BG                                              → z.Bsp. Band zwischen Wirbelbögen der      

                                                                                                                                   Wirbelsäule

                                               → Fettgewebe                          → weiß              → besonders beim Erwachsenen

                                                                                                   → braun             → besonders beim Säugling


Stützgewebe (SG)               → Knorpel                               → hyalin             → z.Bsp. Gelenkflächen

                                                                                                  → fasrig             → z.Bsp. Bandscheiben

                                                                                                  → elastisch       → z.Bsp. Ohrmuschel

                                                                                                  → Geflechtknochen (unreif)   → Lamellenknochen (reif)

[Tabelle - Quelle: Buch Histologie – Verstehen - Lernen – Nachschlagen / Thieme Verlag]


Das Bindegewebe ist ein wichtiges „Zielgewebe“ von sportlich aktiven Menschen.

Es befindet sich in Muskulatur, Gelenkkapseln, Haut und Nerven und bildet jeweils eine durchgängige Struktur. Bei der Dehnung beispielsweise ist nicht ausschließlich das Muskelgewebe beteiligt (also keine reine „Muskeldehnung“), sondern es wird auch das umliegende Bindegewebe (muskuläres BG/Sehnen/ nervales BG) mobilisiert!

Die Elastizität des Muskelbindegewebes beeinflusst also auch die Muskelfunktion und kann den Muskelkrafteinsatz unterstützen.


Das Stützgewebe besteht aus Knorpel- und Knochengewebe.

Knorpelgewebe hat eine feste Konsistenz und ist druckelastisch (Druckeinwirkung bewirkt eine geringfügige Verformung und Entlastung eine Rückformung in den Ausgangszustand).

Reifes Knochengewebe (Lamellenknochen) ist druck- und zugfest. Außen ist der Knochen von einer sogenannten Knochenhaut (Periost) umgeben, welche schmerzempfindlich ist. Innen kann der Knochen grob in zwei Bauformen unterschieden werden: einem Gitternetz aus dünnen Plättchen und Bälkchen (zwischen denen sich das Knochenmark befindet) und einer äußeren Rindenschicht (bis zu 10 mm dick).

Während des gesamten Lebens befindet sich das Knochengewebe im Umbau. Innerhalb von 7 - 10 Jahren wird ein Erwachsenenskelett komplett erneuert. Mechanische Beanspruchung, beispielsweise bei sportlicher Aktivität, ist der wichtigste Faktor einer ausgeglichenen Bilanz beim Umbau. Bei fehlender Beanspruchung wird die Knochenmasse schneller und auch vermehrter abgebaut und der Knochen wird porös.

Außerdem dient Knochengewebe als Calciumspeicher und enthält mit 99 % fast das gesamte Calcium des Körpers.


Muskelgewebe

...ist in der Lage, sich aktiv zu kontrahieren (Anspannung) und wird in 3 Arten gegliedert:


1. Skelettmuskulatur (quergestreifte Muskulatur - willkürliche Anspannung)

2. Herzmuskulatur (spezialisierte Muskelfasern - eigenes lokales Erregungssystem - nicht willkürlich)

3. glatte Muskulatur (Vorkommen: hauptsächlich bei inneren Organen - nicht willkürlich ansteuerbar)


Skelettmuskulatur

...besteht aus vielen langen Muskelfasern (bis zu mehreren Zentimetern) und macht ~ 45 % der gesamten Körpermasse aus.

Außerdem besitzt die Skelettmuskulatur 4 wichtige Grundeigenschaften:

→ kann auf Nervenreize reagieren (erregbar)

→ kann sich anspannen/ kontrahieren

→ ist dehnbar

→ aber elastisch


… und erfüllt 3 wichtige Aufgaben:

→ aktive Bewegung des Körpers (Laufen, Rennen, Springen,...)

→ aufrechte Körperhaltung (Haltearbeit)

→ Wärmeproduktion („Kältezittern“) - bis zu 80 % der Körperwärme werden durch Muskeln erzeugt


Muskel-Sehnen-Knochen-Übergang und Bewegung

Der Muskel ist über Sehnen am Knochen befestigt. Kontrahiert ein Muskel, d.h. spannt er sich an, wird ein Zug auf die dazugehörige Sehne ausgeübt und diese Spannung an den verbundenen Knochen weitergeleitet.

Da alle großen Muskeln des Körpers meist über 2-3 Gelenke (Verbindungsstellen zweier Knochen) ziehen, ist der eine Muskel-Sehnen-Übergang am Knochen „x“ und der andere am Knochen „y“. Beide Knochen werden durch den Zug aufeinander zubewegt und es entsteht eine gesteuerte Bewegung. Der eigentliche Bewegungsbefehl entsteht im Gehirn und wird über die Nervenbahnen, welche übers Rückenmark ins periphere Nervensystem (s.o.) zum Muskel führen, weitergeleitet.

Über komplexe Mechanismen kann somit erst eine Muskelaktivierung und weiterführend eine sehr genaue Kraftdosierung erfolgen.


Alles-oder-Nichts-Regel

Muskelfasern kontrahieren nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“! Das heißt sobald ein ausreichend starker Reiz am Nerv-Muskel-Übergang angelangt, spannt sich diese Muskelfaser maximal an.

Dies heißt aber keinesfalls, dass eine Feinabstimmung der einzelnen Muskeln nicht möglich ist!

Da ein Muskel aus hunderten von Muskelfasern besteht, geschieht diese Feinabstimmung dadurch, dass einmal 10, einmal 50 oder dann wieder 100 Fasern kontrahieren. Dieser Vorgang wird vom ZNS (Gehirn) gesteuert. In der Regel werden nicht mehr als 60 % aller Muskelfasern eines Muskels aktiviert, da ein höherer Krafteinsatz zu extremen Ermüdungszeichen führen kann.


Physiologie - Verletzung und Regeneration

Im Training können verschiedene Verletzungen des Stütz- und Muskelapparat auftreten.

Diese kurze Übersicht soll euch einen kleinen Einblick in den Verletzungsmechanismus und die Akutversorgung geben.

Außerdem gilt bei Verletzungen mit plötzlich auftretender Funktionseinschränkung, starkem Schmerz und Schwellung: zeitnah professionelle Hilfe in Anspruch nehmen → Arzt aufsuchen!!!


1.) Verletzungen des Stützapparates

1.1) Sehnenscheidenentzündungen

...sind schmerzhafte Reizzustände der Sehne oder des Muskel-Sehnen-Knochen-Übergangs.


- grobe Unterscheidung in:

  • erregerbedingt (Infektionen)

  • nicht erregerbedingt

- häufigste Ursachen für nicht erregerbedingte Entzündungen:

  • akute mechanische Überbelastung des Muskels (maximale Kontraktion z. Bsp. beim Abfangen eines Sturzes)

  • wiederholte oder zu schnell gesteigerte Beanspruchung eines Muskels oder einer Muskelgruppe

  • physiologisch falsch ausgeführte Bewegungen (z.Bs. falsche Ausführung Trittes (v.a. Mawashi-Geri)

  • chronische Überbelastung durch Körperfehlhaltungen bzw. konstitutionelle (den Körperbau betreffende) Abweichungen

  • muskuläres Ungleichgewicht

  • andauernde Reizung/ Druckbelastung der Muskulatur durch anatomische Engpässe

  • Durchblutungsverminderung im Muskel durch langanhaltende statische Belastung

- häufige Lokalisationen – Muskulatur:

  • Schulter (durch plötzliche maximale Kontraktion der Muskulatur bei Wurfbewegungen bzw. hartes Abfangen eines Sturzes)

  • Ellenbogen (Tennisellenbogen durch mechanische Überbelastung)

  • Hüfte (muskuläre Dysbalancen durch verkürzte Muskulatur oder Gelenkfehlstellungen im Hüftgelenk – Hüftdysplasie)

  • Knie (statisch bedingt durch veränderte Beinachsenstellung - „( )-Bein“/“X-Bein“)

  • Fuß (z.Bsp. durch extreme Abflachung des Fußgewölbes - „Plattfuß“)

- Symptome:

  • dumpfer und diffuser Schmerz bei aktiver Bewegung (bei akuter Reizung auch hell und scharf)

  • lokaler Druckschmerz im Ruhezustand

  • Funktionseinschränkung der betroffenen Muskulatur

  • bei länger anhaltenden Entzündungen kann auch eine weich-knotige Verdickung der Sehne getastet werden (bis schmerzhaftes tastbares „Knirschen“)

- Therapie:

  • 1. Hilfe: kurzzeitige Ruhigstellung (eventl. entlastende Bandagen) → lokaler Reizabbau/ Schmerzlinderung

  • weiterführend bei ständig auftretenden Schmerzen: Vorstellung beim Arzt und physiotherapeutische Maßnahmen


1.2) Schleimbeutelentzündung

…tritt meist durch Verletzung oder Überbelastung auf.

- häufigste Lokalisationen:

  • Ellenbogen (nach häufigem/langem Aufstützen des Ellenbogens, Stürze auf den Ellenbogen)

  • Knie (langes Knien auf harten Untergründen, Stürze aufs Knie)

- Symptome:

  • akut: eher geringe lokale reibende bis brennende Schmerzen

  • später: starke Schwellung und großer Erguss (bis tischtennisballgroß) und Funktionseinschränkung

- Therapie:

  • 1. Hilfe: Ruhigstellung und Reizvermeidung

  • bei anhaltenden Symptomen: Vorstellung beim Arzt


1.3) Knochenbrüche (Frakturen)

...Kontinuitätsunterbrechung eines Knochens unter Bildung von mindestens 2 Bruchstücken mit oder ohne Verschiebung.

- Ursachen:

  • häufig durch Gewalteinwirkung

  • selten durch reine Überbelastung

  • durch Erkrankungen des Knochens (z.Bsp: Osteoporose)

- Symptome – sichere Frakturzeichen:

  • Dislokationen (Stufenbildung, Knochenlücken, offene Brüche – Knochenfragmente ragen aus der Wunde)

  • Knirschen an der Bruchstelle

  • abnorme/unphysiologische Beweglichkeit

- weitere unsichere Zeichen:

  • Schmerz

  • Schwellung

  • Bluterguss/ Hämatom

  • Wärme

  • Funktionseinschränkung

- Therapie:

!!! Da Begleit-Verletzungen der benachbarten Strukturen (Nerven, Gefäße, Gelenke) auftreten können, sollte unbedingt auf Manipulation der Bruchstelle verzichtet werden!!!

  • 1. Hilfe: Ruhigstellung; bei offenen Brüchen – hohen Blutverlust durch sterile Wundauflagen vermeiden (!KEIN Druckverband!), sofortige Vorstellung in der Notaufnahme

  • weiterführende Therapie: abhängig von der Bruchstelle und den Bruchformen konservativ oder operativ, nach operativer Versorgung oder längerer Ruhigstellung physiotherapeutische Maßnahmen



2.)Verletzungen des Muskelapparates

2.1) Muskuläre Verspannungen/ Hartspann

- Ursachen:

  • Fehlhaltung und -belastung (Sauerstoffmangel im Muskelgewebe)

  • muskuläre Dysbalancen (Ungleichgewicht zwischen einzelnen Muskelgruppen, einseitige Dauerbelastungen)

  • psychische Belastungen (ständige „Anspannung“)

- Symptome:

  • leicht bis stark schmerzhafte Muskelpunkte

  • lokaler Druckschmerz

  • knotenartige bis wulstförmige tastbare Verhärtungen der Muskulatur

- Therapie:

  • muskelentspannende physiotherapeutische Maßnahmen ( Funktionsmassage, Elektrotherapie, funktionelle Dehnung)

  • lokale Wärmeanwendungen, Sauna, leichte entspannende Bewegungsübungen

  • durchblutungsfördernde Salben


2.2) Muskelkater

…Muskelschmerzen bei aktiver Muskelarbeit etwa 8-24 Stunden nach körperlicher Überbelastung.


- Ursachen:

Die frühere Theorie, dass Muskelkater durch eine Ansammlung von Milchsäure bei anaerober Muskelarbeit in der Muskulatur entstehen würde, gilt heute nicht mehr!!! Das ist auch verständlich, denn die Milchsäure wird schon bald nach Abschluss der Bewegung völlig abgebaut. Der Muskelkater beginnt aber oft erst Stunden später und hält sehr viel länger an.

Die neue gültige TheorieMikrorisse und Mikroverletzungen in der betroffenen Muskulatur durch muskuläre Überbelastung.

Diese entstehen vor allem bei ungeübten Sportlern. Da beim Karate Muskelgruppen trainiert werden, die im Alltag eher weniger genutzt werden (v.a. Ab-/Adduktoren), erklärt dies den anfänglichen starken Muskelkater bei Karate-Anfängern.

- Symptome:

  • Schmerzen bei aktiver Muskelanspannung
  • Muskulatur im entspannten Zustand kein Schmerz
  • lokale Druckempfindlichkeit
  • leichte Muskelschwellung bis Verhärtung
  • meist nach 3-5 Tagen wieder beschwerdefrei

- Therapie:

  • erste Wahl sind aktive durchblutungsfördernde Maßnahmen, wie leichte Bewegung und Lockerungsübungen
  • unterstützend wirken passive durchblutungsfördernde Maßnahmen, wie warme Bäder und Sauna
  • von extremen Dehnungsübungen wird mittlerweile abgeraten, da sie die Mikrorisse nur noch verstärken können


2.3) Prellungen

- Ursachen:

  • direkte stumpfe Gewalteinwirkungen (Aufprall auf Boden, Schlag-/Tritteinwirkung)

  • weiches Muskelgewebe wird gegen härteres Gewebe (z.Bsp. Knochen) gequetscht

    → Bluterguss zwischen einzelnen Muskelfasern

- Symptome:

  • sofortiger, heftiger Schmerz

  • Schwellung und / oder Bluterguss und/oder Gelenkerguss

  • lokaler Druckschmerz

  • eventuell sensible Missempfindungen, wie Taubheit der betroffenen Region

  • meist mit Bewegungseinschränkungen

  • !!! Muskelkompressionssyndrom mit Gefahr einer bleibenden Nerven-Schädigung !!!

- Therapie:

  • 1. Hilfe: PECH-Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern)

    wichtig zu Eis: Kühlen nur mit wasserhahnkaltem Wasser und maximal bis 3-5 Minuten nach der Gewalteinwirkung! Sonst treten durch die extreme und zu lang anhaltende Kälte Gefäßzusammenziehungen auf, welche sich negativ auf die Wundheilung auswirken können.

  • weiterführend: !!! zeitnahe Vorstellung beim Arzt (Ausschluss Muskelkompressionssyndrom) und Physiotherapie (durchblutungsfördernde Maßnahmen)


4) Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse

- Ursachen:

  • plötzliche schnelle Überdehnung der Muskulatur

  • plötzliches Anhalten bzw. Abbremsen nach einer raschen Beschleunigung

  • bestehende Muskelverhärtungen

  • Überforderung der Muskulatur (Ungenügender Trainingsstand, Muskelermüdung - zu wenige und zu kurze Erholungsphasen und zu viele Trainingseinheiten)

  • unachtsames Verhalten (Überschätzung des eigenen Leistungsvermögens)

  • unzureichende Aufwärmphase (mangelhaftes funktionelles muskuläres Zusammenspiels)

- Symptome:

  • krampfartiger, schnell zunehmender stechender Schmerz

  • eventuell lokale Schwellung und/oder Bluterguss

  • Funktionseinschränkung bis Funktionsverlust

  • bei Muskelrissen: kurzzeitige Dellenbildung

- Therapie:

  • 1. Hilfe: PECH- Regel (Pause, Eis, Compression, Hochlagern)

    wichtig zu Eis: Kühlen nur mit wasserhahnkaltem Wasser und maximal bis 3-5 Minuten nach der Gewalteinwirkung! Sonst treten durch die extreme und zu lang anhaltende Kälte Gefäßzusammenziehungen auf, welche sich negativ auf die Wundheilung auswirken können.

    !!! sofortige zeitnahe Vorstellung beim Arzt !!!

  • weiterführende Therapie:

    bei Faserrissen oder Muskelriss konservative Ruhigstellung (Schiene) oder operatives Zusammennähen der gerissenen Fasern

    4-6 Wochen Ruhigstellung: schmerzfreie aktivierende physiotherapeutische Maßnahmen auch unter Schienen-/Gipsverband !

    danach sofortige Mobilisierung & angepasste Kräftigung des betroffenen Gebietes (Physiotherapie)

    !!! besonders wichtig: KEINE passive Dehnung und Massage bei Zerrung für 3 Wochen, Muskelfaserriss für 6 Wochen, Muskelriss für 8-12 Wochen !!!



2. Anatomie praktisch umgesetzt 

Autor: Thomas

Einleitung

Aufgrund der Beschaffenheit des menschlichen Körpers, seiner anatomischen Strukturen und physiologischen Funktionen bieten sich dem geübten Budôka (Karateka) zahlreiche Möglichkeiten der Verteidigung und Konteraktionen!


Dabei werden die verschiedensten Körperteile so effektiv wie möglich eingesetzt, um eine größtmögliche Schockwirkung beim Angreifer zu hinterlassen, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen! Um seine Gliedmaßen dafür zu nutzen, muss man diese dementsprechend trainieren und zum Teil abhärten (Makiwara, Sandsack, etc.).


Bitte seid euch bewusst, dass ein Großteil der unten aufgeführten Techniken keine Anwendung im Sport findet und finden darf, da diese sehr gefährlich sind und zu ernsthaften Verletzungen führen können! Übt deshalb bewusst, mit Verständnis für die Bewegung und Respekt!


Die Gesamtheit im Karate Jutsu bietet ein harmonisches Zusammenspiel aus Ausweichbewegungen, Blocktechniken, Atemi Techniken (Schläge, Stöße, Tritte etc.) und weichen Bewegungen, die die Energie des Angreifers nutzen, diesen überlisten und durch Wurf- und Hebeltechniken zu Fall bringen können.


Ein gezielter Aufbau mittels aller Komponenten der Kunst (Karate Dô / Karate Jutsu) steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, fördert die Gesundheit und beeinflusst das seelische Gleichgewicht positiv! Dabei dient ein stufenweiser Aufbau von Kihon Techniken und Kata der körperlichen Entwicklung und der mentalen Reifung!

Das Üben aller Komponenten ist dabei sehr wichtig, da das eine nicht ohne das andere auskommt und ein Weglassen zu einem Ungleichgewicht führen kann!

Tägliches Üben wäre dabei ideal. Was der Körper einmal gelernt und verinnerlicht hat, wird er niemals wieder vergessen!

Zum besseren Verständnis werden wir diesen Abschnitt in einige Unterpunkte gliedern, um so eine möglichst detaillierte Zusammenstellung zu bieten:


Trefferflächen - Atemi-Punkte

In diesem Teil werden die Trefferpunkte behandelt, so genannte Atemi Punkte, auf die gezielte Aktionen eine möglichst große Wirkung entfalten können! Diese Wirkungen zielen dabei auf die sogenannten Nozizeptoren, die Schmerzrezeptoren, welche in muskulärer, knöcherner oder gelenkiger Struktur vorzufinden sind. Durch gezielte Anwendungen kann man unterschiedliche Schmerzcharaktere und -intensitäten bei einem potentiellen Angreifer auslösen.

Natürlich wird Schmerz immer nerval weitergeleitet und zentral im Gehirn verarbeitet, jedoch kann er in unterschiedlichen anatomischen Strukturen entstehen und somit verschiedene Qualitäten besitzen!


1. muskulär → meist dumpf, dunkel, krampfend

2. knöchern → tief, reibend, eindringend

3. nerval → hell, spitz, ziehend

4. gelenkig → ziehend, reißend


Erst dieses Wissen und der Einsatz passender Techniken machen eine effektive Selbstverteidigung möglich.

Anatomische Zuordnung der Atemi-Punkte

Körper-Vorderseite:

  1. Carotis Sinus-Knoten
  2. Halsschlagader
  3. Kehlkopfdeckel
  4. Kehlkopfgrube
  5. Obere Schlüsselbeinvertiefung
  6. Schlüsselbein
  7. Untere Schlüsselbeinvertiefung
  8. Brustwarzen
  9. Lunge
  10. Leber
  11. Kurze Rippen
  12. Achselhöhle
  13. Oberarmnerv
  14. Brustbein
  15. Schwertfortsatz
  16. Solar-Plexus
  17. Magen
  18. Herz
  19. Herzspitze
  20. Milz
  21. kurze linke Rippe
  22. Nabel
  23. Blase
  24. Hoden
  25. Leisten
  26. Pudendusregion
  27. Oberer v. Oberschenkelnerv
  28. Unterer v. Oberschenkelnerv
  29. Kniescheiben
  30. Kreuzbänder
  31. Vorderseite des Schienbeins
  32. Innenseite des Schienbeins
  33. Knöchel, innen
  34. Spann


Körper-Rückseite:

  1. Hinterhauptnerv
  2. Genick (2. Halswirbel)
  3. Schulterblattkamm
  4. 5. Brustwirbel
  5. 7. Brustwirbel
  6. Nieren
  7. Spindelbein
  8. Kreuzbein
  9. Ellenbogennerv (Musikantenknochen)
  10. Ischiasnerv
  11. Steißbein
  12. Oberer h. Oberschenkelnerv
  13. Unterer h. Oberschenkelnerv
  14. Kniekehle
  15. Wadenmuskel
  16. Wadenbein
  17. Achillessehne
  18. Knöchel, außen
  19. Zehen


Kopf:

  1. Stirnbein
  2. Fontanelle
  3. Schläfe
  4. Augenbrauen
  5. Nasenwurzel
  6. Augen
  7. äußerer Gehörgang
  8. Jochbein
  9. Nasenbein
  10. zwischen Nase und Oberlippe
  11. großer Ohrnerv
  12. Kinnlade (Ansatz) – Kiefergelenk
  13. Speicheldrüse
  14. Unterkiefer
  15. Zungennerv
  16. Kinnspitze
  17. zwischen Kinn und Unterlippe
  18. Unterlippe
  19. Oberlippe

                       

Hand:

  1. Nerv zwischen Daumen und Zeigefingergrube
  2. Mittelhandknochen
  3. Nerv am Handgelenk (radialis)
  4. Nerv am Handgelenk (ulnaris)
  5. Nerv am Handgelenk (palmaris)
  6. Nerv am Handgelenk (ulnaris)
  7. Finger (Gelenke)
  8. Nagelbett


Wirkungen an den jeweiligen Punkten

Die Wirkungen hängen von mehreren Faktoren ab, welche im Augenblick des Treffens auf den Angreifer einwirken. Zum einen sind Schnelligkeit und Kraft der verwendeten Technik, zum Anderen aber auch die Technik (Bewegung) selbst entscheidend, mit welcher Intensität der „Atemi“ gesetzt wird! Des weiteren spielt die körperliche Verfassung, die Statur und das Gewicht des Angreifers natürlich eine wichtige Rolle, wie eine Abwehrtechnik wirkt! Folgen resultieren entsprechend daraus und können nur von kurzer Dauer, länger anhaltend oder sogar dauerhaft sein! Hierbei gilt es genau abzuwägen, welcher Atemi entsprechend der Verhältnismäßigkeit angewendet wird!

Beim Üben der Techniken mit Kontakt zu diesen empfindlichen Körperregionen ist äußerste Konzentration wichtig, um seinen Partner nicht zu verletzen!

In der realen Selbstverteidigung können gezielte Aktionen zu dieses Körperregionen ernsthafte (wenn auch selten) Verletzungen zur Folge haben. Auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit! Meist beschränken sich die Wirkungen auf Stoßprellungen und schockende Schläge, deren Wirkung nicht von Dauer ist, aber dem Verteidiger die Möglichkeit zum Schutz und zur Flucht erlaubt.

Jedoch können bei zu großem "Krafteinsatz" auch dauerhafte Schäden gesetzt werden. Diese gilt es unter allen Umständen zu vermeiden!

Lähmung:

Eine physische dauerhafte Lähmung ist nur möglich, wenn die Nerven direkt verletzt werden oder eine Gehirnschädigung erfolgt.


Hebeltechniken:

Bei Hebeltechniken auf Gelenke besteht die Gefahr einer Überdehnung, Riss der Bänder und Sehnen. Selten kommt es zum Bruch der beteiligten Knochen. Dies verursacht sehr große Schmerzen und kann zu einer Einschränkung der Beweglichkeit der Gelenke (eventuell dauerhaft) führen.

Be jeglichen unkontrollierten Techniken auf die Wirbelsäule, besteht die Gefahr einer Verletzung des Nervenstranges und damit einer dauerhaften Lähmung!