Die Begrüßung & 20 Regeln im Karate


Das Training des Geistes, des Charakters und der inneren Einstellung sind Hauptziele im Karate. Dies wird auch durch den Leitspruch der Japan Karate Association (JKA) dargelegt:

"Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern liegt in der Vervollkommnung des Charakters des Ausübenden."

Eine weitere Grundregel im Karate lautet (Karate ni sente nashi), was soviel bedeutet wie: 

"Es gibt keinen Initialangriff im Karate."

Damit ist nicht das Training oder der Wettkampf gemeint, da ernsthafte Angriffs-Simulationen zu allen Budō-Künsten gehören. Der Satz verdeutlicht vielmehr den Kodex des Karatedō im täglichen Leben. Der Karateka soll von seiner Einstellung her höflich, zuvorkommend und nicht aggressiv sein! In einer ernsthaft bedrohenden Situation hingegen dient auch eine erste "Attacke" als wirkungsvolles Mittel zur Selbstverteidigung und schafft somit eine "Lücke" zur Flucht!

Es gibt im Karatetraining eine hierarchische Unterscheidung: Neben dem Sensei, dem Lehrer, gibt es die Sempai und Kohai.

Jedes Karatetraining beginnt und endet traditionell mit einer kurzen Meditation (Mokusō). Dies soll auch den friedfertigen Zweck der Übungen zum Ausdruck bringen. Die kurze Meditation lässt auf die Tradition des Karate als Weglehre schließen. Auch beginnt und endet jedes Karatetraining, jede Übung und jede Kata mit einem Gruß. Dadurch wird das erste Prinzip der 20 Regeln von Gichin Funakoshi zum Ausdruck gebracht: „karate wa rei ni hajimari rei ni owaru koto“ – „Karate beginnt und endet mit Respekt!

Die herausragende Respekterweisung gegenüber dem Meister äußert sich mitunter in kurios anmutenden Regeln. So wird es etwa als unhöflich angesehen, hinter dem Rücken des Meisters zu gehen. Diese wurzelt keineswegs in der Vorstellung, hinterrücks angegriffen zu werden, sondern im Gedanken, dass ein „Vorbei-Schleichen“ auf eine mangelhafte Lehrer-Schüler-Beziehung (da mangelnde Würdigung) schließen lässt.

In vielen Dōjōs ist es üblich, vor Betreten und Verlassen der Halle die darin Versammelten mit einer kurzen Verbeugung zu begrüßen, eventuell wird auch der Shōmen des Dōjō mit einer weiteren kurzen Verbeugung beim Betreten und Verlassen gegrüßt.

Danach wird gemeinsam eine rituelle Grußzeremonie (Rei) durchgeführt, in der sich Schüler und Meister voreinander und vor den alten Meistern und Vorfahren (im Geiste) verneigen.

Während der Begrüßungszeremonie gelten ungeschriebene Regeln.



Die rituelle Begrüßungszeremonie

Die folgende Zeremonie variiert zwischen Stilrichtungen oder auch Dojos. Sie macht aber das Prinzip deutlich.

Sobald der Meister oder ein von ihm befugter Sempai den Beginn des Trainings zu erkennen gibt, erfolgt die Aufstellung. Dabei stellen sich Meister und Schüler frontal zueinander auf, und nehmen den Stand Musubi-Dachi ein (Bereitschaftsstellung mit geschlossenen Fersen, die Füße werden fünfundvierzig Grad nach außen gerichtet). Die Schüler bilden eine nach Gürtelfarben aufsteigend geordnete Reihe, von den Weißgürteln zur Linken bis zu den Schwarzgürteln zur Rechten. Die Reihe richtet sich nach rechts nach den höchst-graduierten Sempai aus. Dabei achten die Schüler darauf, dass ihre Zehen nicht die gedankliche Linie überschreiten, die der Sempai begründet hat; denn dies käme einer Herausforderung des Sempai gleich.
Man hockt sich hin, sodass die Schenkel ein V bilden, wenn man jetzt hinabblicken würde. Gleichzeitig gleiten die Hände am Oberschenkel entlang bis zu den Knien. Der Rücken ist gerade, der Blick auf den Sensei oder 3 m gerade auf den Boden gerichtet.
Nun berührt zuerst das linke Knie den Boden, dann folgt das rechte. Die Hände gleiten nun von den Knien zurück zu den Oberschenkeln. Die nun aufgestellten Füße werden hinabgestellt, sodass der Fußspann den Boden berührt und man bequem auf seinen Unterschenkeln Platz nehmen kann. Richtig ausgeführt, kann man so Stunden verharren. Der Rücken ist gerade, der Blick und die Aufmerksamkeit haften noch immer am Sensei. Die Oberschenkel und die gedankliche Linie zwischen den beiden Knien begründen ein gleichschenkliches Dreieck. Die Knie sind zwei Fäuste voneinander entfernt.
Der Sempai führt nun weiter die Begrüßungsetikette durch. Nach einem Augenblick, in dem er sich der korrekten Haltung der Kohai vergewissert, setzt er das Kommando: „Mokusō!“. Daraufhin schließen alle die Augen. Die Meditation beginnt. Höhergraduierte, meditativ erfahrene Sempai nehmen während dieser Meditation manchmal ein Meditationsmudra mit ihren Händen ein.

Während der Meditation atmet man tief und fest ein. Man stellt sich den Ki-Fluss im eigenen Körper vor, und stellt sich gedanklich auf das Training ein. Hier löst sich der Karateka gedanklich von der Alltagsroutine, und bereitet sich auf das Karatetraining vor.
Der Sempai beendet die Meditation mit dem Kommando: „Mokusō yame!“, woraufhin alle die Augen öffnen. Gleich darauf folgt das jeweilige Begrüßungskommando. In der Regel heißt es: „Sensei-ni rei! 

Auf das Kommando „Sensei ni rei!“ erfolgt die Begrüßung. Sie sieht folgendermaßen aus: Die linke Hand wird zuerst auf den Boden abgesetzt, sodass die Handinnenfläche den Boden berührt. Nun folgt die rechte Hand; sie wird entweder daneben abgesetzt oder leicht über der linken Hand, sodass nur die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/Mittelfinger der rechten die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/ Mittelfinger der linken Hand bedecken. 
Beim Verbeugen, kurz bevor der Kopf die Hände erreicht, hebt man den Kopf zum Meister und schaut sich gegenseitig für einen Augenblick in die Augen.
Während dieser Verbeugung im Knien sprechen Schüler und Meister den gegenseitigen Gruß: „Oss!“ aus.  
Nach der mündlichen Begrüßung („Ossu!“) richtet der Karateka den Oberkörper wieder auf, nimmt also die Haltung während der Meditation wieder ein.

Nun steht der Meister als erstes auf. Das Aufstehen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zum Abknien. Das heißt, das rechte Bein löst sich zuerst vom Boden und wird aufgestellt und im Stehen zum linken Fuß herangezogen, so dass man wieder im „Musubi-Dachi“ steht. Die Handflächen liegen auf der Oberschenkelaußenseite.
Nun, wo sich alle im „Musubi-Dachi“ gegenüberstehen, verbeugt man sich im Stehen und grüßt einander mit: „Oss!“ Der Oberkörper wird dabei in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad gebeugt.
Nach dieser Verbeugung ist die traditionelle Begrüßung abgeschlossen. Der Meister setzt nun mit dem Training fort.
Die traditionelle Verabschiedung im Training erfolgt nach dem gleichen Muster wie die Begrüßung.



Die 20 Regeln -
Shōtō Nijū Kun

In Japan werden die von
Funakoshi Gichin aufgestellten 20 Regeln des für Karateka angemessenen Verhaltens als Shōtō Nijū Kun bezeichnet. Im deutschen Karate vermischt sich der Begriff häufig mit dem der Dōjōkun, die eigentlich nur fünf zentrale Regeln umfassen und lange vor Funakoshi und mit Bezug auf alle Kampfkünste vermutlich von buddhistischen Mönchen in Indien aufgestellt wurden.

Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt. 
karate wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na

Im Karate gibt es keinen ersten Angriff. 

karate ni sente nashi

Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit. 

karate wa gi no tasuke

Erkenne zuerst dich selbst, dann den anderen. 

mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire

Die Kunst des Geistes kommt vor der Kunst der Technik.

gijutsu yori shinjutsu

Es geht einzig darum, den Geist zu befreien. 

kokoro wa hanatan koto o yōsu

Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit. 

wazawai wa ketai ni shōzu

Denke nicht, dass Karate nur im Dojo stattfindet. 

dōjō nomi no karate to omou na

Karate üben heißt, es ein Leben lang zu tun. 

karate no shūgyō wa isshō dearu

Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du geistige Reife erlangen. 

arayuru mono o karate kase soko ni myōmi ari

Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig warm hältst. 

karate wa yu no gotoku taezu netsu o ataezareba moto no mizu ni kaeru

Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht verliert. 

katsu kangae wa motsu na, makenu kangae wa hitsuyō

Wandle dich abhängig vom Gegner. 

teki ni yotte tenka seyo

Der Kampf hängt von der Handhabung des Treffens und des Nicht-Treffens ab. 

ikusa wa kyojitsu no sōjū ikan ni ari

Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor. 

hito no teashi o ken to omoe

Sobald man vor die Tür tritt, findet man eine Vielzahl von Feinden vor. 

danshimon o izureba hyakuman no teki ari

Feste Stellungen gibt es für Anfänger, später bewege man sich natürlich. 

kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai

Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das Gegenteil. 

kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono

Hart und weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell, alles in Verbindung mit der richtigen Atmung. 

chikara no kyōjaku, karada no shinshuku, waza no kankyū o wasuru na

Denke immer nach und versuche dich ständig an Neuem. 

tsune ni shinen kufū seyo